Donnerstag, 16 Dezember 2021

Am Rande der Legalität

Saatgut von alten Sorten soll vermehrt und getauscht werden, denn es ist so essenziell wie Wasser und Luft, vor allem im Klimawandel. Ein großer Anteil aller alten Sorten weltweit ist verschwunden und es ist immer noch nicht klar: Darf man Saatgut weitergeben, wenn ja, wie viel und an wen?

Ende November fand zu diesem Thema die Tagung „Saatgut für den Anbau unserer Kulturpflanzen und der lokal angepassten Sorten (Herkünfte) privat erhalten und weitergeben“ statt. Christian R. Vogl von der Universität für Bodenkultur Wien führte durch die Online-Tagung. Veranstalter war die Eurac Bozen, die ein Projekt zur Pustertaler Kulturpflanzenvielfalt gestartet hatte. Ziel der Tagung war es, die geltenden gesetzlichen Bestimmungen in Sachen Saatgutvermehrung und -weitergabe sowie Pflanzengesundheit zu beleuchten. „Immer noch fristen die Bäuerliche Saatgutvermehrung und Saatguttausch ein Nischendasein am Rande der Legalität“, so Ricarda Schmidt vom Institut für Regionalentwicklung an der Eurac. Dabei sind bereits 75 Prozent der Agrobiodiversität weltweit verloren gegangen. Die Erhaltung unserer lokalen Sorten und Herkünfte findet viele Schnittpunkte mit der Südtiroler Nachhaltigkeitsstrategie. Das Land Südtirol hat sich u.a. den Erhalt der Biodiversität und des kulturellen Erbes zum Ziel gesetzt und sieht sich gemeinsam mit europäischen Partnern als Vorreiter der Kreislaufwirtschaft. Doch die gesetzlichen Rahmenbedingungen zum Erhalt bzw. der freien Weitergabe dieser lokalen, meist unwirtschaftlichen Herkünfte fehlen bis heute. 15 Regionen haben bereits den Erhalt ihrer pflanzengenetischen Ressourcen und der Tierrassen durch regionale Gesetze gesichert. Für Sardinien sind die Lokalsorten Teil des sardischen Kulturerbes und damit schützenswert.

Erfahrungsaustausch über die Grenzen hinaus

Bei der Online-Tagung berichteten mehrere Fachexperten über die jeweilige Situation in ihren Ländern. So erzählte z.B. Béla Bartha von der Organisation Pro Specie Rara, die sich u.a. um den Erhalt von Garten-, Acker- und Zierpflanzen kümmert, von den Erfahrungen in der Schweiz. Dort ist der Erhalt und das Inverkehrbringen von kleinen Mengen von lokalen und traditionellen Sorten abgekoppelt von der Gesetzgebung zum Saatguthandel und damit problemlos möglich.

In Italien bildet Rete Semi Rurali ein Netzwerk aus 32 Organisationen/Vereinen, welche sich dem Erhalt der lokalen Herkünfte verschrieben haben. Diese Dachorganisation setzt sich auf nationaler Ebene für eine bessere Handhabung bzw. Umsetzung des EU Saatgutgesetzes ein. Für Rete Semi Rurali ist es dabei ganz wesentlich, die Bäuerinnen und Bauern als Erhalter der Biodiversität miteinzubeziehen.

In Österreich setzt sich die Vereinigung Arche Noah für die Klärung des Rechts zum Erhalt und der Weitergabe von Saatgut ein. Der Austausch, das heißt die Weitergabe von Erhaltungssorten, von nicht registrierten Sorten oder Amateursorten zum Schutz der pflanzengenetischen Ressourcen ist mit Mengenbeschränkungen erlaubt. Die Weitergabe seitens der Erhalterinnen wird nicht als unternehmerische Tätigkeit und die Bezahlung des Saatguts als Aufwandsentschädigung gewertet. Sie sind auch von der Pflanzenpasspflicht befreit. Wenn das Saatgut an Endnutzerinnen und -nutzer abgegeben wird, dann besteht auch für so ein Unternehmen keine Pflanzenpasspflicht. Es braucht ein Saatgutrecht, welches den Erhalt der Vielfalt in den Vordergrund stelle, so die Forderung aus Österreich.

Situation in Südtirol schwierig

In Südtirol ist die Weitergabe von Saatgut zurzeit nicht möglich. Auch deshalb hat sich das Netzwerk der Artenvielfaltshöfe gebildet. Gemeinsam und durch den regelmäßigen Anbau und Weitergabe, so Sabine Schrott, soll der Erhalt der lokalen Kulturpflanzen, Herkünfte und aller Kulturgut gesichert und ihnen einen Platz in unserer Küche bewahrt werden, denn nur gegessen werden sie nicht vergessen. Grundvoraussetzung dafür sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, die in Südtirol noch geschaffen werden müssen. Das bäuerliche Recht auf den freien Tausch von Saatgut darf nicht angegriffen werden. Eine nachhaltige und klimafitte Landwirtschaft beginnt mit vielfältigem und samenfestem Saatgut, das sich den örtlichen Gegebenheiten anpassen kann. Der Erhaltungsanbau und die Weitergabe lokaler Herkünfte muss frei von allen Beschränkungen durch die Gesetze zum Saatgut und der Pflanzengesundheit erfolgen können, welche für die unternehmerische Tätigkeit, dem Handel, vorgesehen sind.

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