Hüterin der Vielfalt
Jahrelang engagiert sich Sabine Schrott Prenn für den Erhalt des lokalen Saatgutes. Dafür erhält sie den Preis für die Kreativität der Landfrauen. Eine sehr schöne Auszeichnung für eine Frau, die sich unermüdlich für die Kulturpflanzenvielfalt einsetzt.
Mit fast 400 Kulturarten, viele davon alt und selten, gehört Sabine zweifelsohne zu den engagiertesten Hüterinnen der Vielfalt in Südtirol. Ihre nicht enden wollende Motivation bei der Bewahrung der Kulturpflenzenvielfalt macht Sabine zu einer Pionierin. Ihr Engagement für den Erhalt der Sortenvielfalt, der Verbreitung alter traditioneller Sorten und der Austausch von Kulturpflanzen ist sehr wertvoll für die Biodiversität, für unsere Kulturlandschaft und für die bäuerliche Welt in Südtirol. Südtiroler Traditionssorten wie etwa die puschtra Peim, der Pragser Kobis oder der Prettauer Mohn, wären ohne den Einsatz von Einzelpersonen wie Sabine Schrott schon lange nicht mehr da, einfach weg, verschwunden und vergessen.
Liebe zur Vielfalt
Sabine ist Bäuerin auf dem Felderhof in Uttenheim. Sie bewirtschaftet den landwirtschaftlichen Betrieb gemeinsam mit ihrem Mann Franz. Mit ihnen am Hof lebt ihr gemeinsamer Sohn Julian. Geboren ist sie 1979 in Barbian und sie ist in einer Großfamilie mit vier Geschwistern aufgewachsen. Das „Gartlen“ war bei ihr zu Hause immer schon ein Thema und es hat sie von klein auf fasziniert. So hat Sabine Gartenbau studiert. Zwischen 2004 und 2008 arbeitete sie an der Fachschule für Obst-, Wein und Gartenbau Laimburg. Dort ist sie bei einem Kurs zu alten Obstsorten in Kontakt mit einem kleinen Kreis engagierter Saatgutvermehrerinnen gekommen und sie hat sich rettungslos mit der Thematik ‚infiziert‘. Sabine möchte kein museales Konservieren der Sorten, sondern ein Reaktivieren: Sie sollen wieder Teil des kulinarischen Alltags werden. Ihr geht es nicht um ein Bewahren um des Bewahrens willen. Sie möchte die alten Sorten wieder nutzen, und nicht ausschließlich als Liebhaberei kultivieren. Nur dadurch haben sie Zukunft. Das ist für Sabine wesentlich.
Der Felderhof wird biologisch bewirtschaftet. Neben der Landwirtschaft bietet die Familie auch Urlaub am Bauernhof an. Sabine hat sich auf den Anbau von samenfestem Gemüse und Getreide in ausgewogener Fruchtfolge spezialisiert. Heute hat Sabine auf ihrem Hof in Uttenheim zusätzlich auch eine kleine Gärtnerei. Die Jungpflanzen aus samenfesten Sorten, darunter alte und lokale Gemüsesorten, werden eigens am Hof aufgezogen, damit wird unter anderem die genetische Vielfalt gewährleistet. Sie verkauft die Jungpflanzen und baut sie auch in ihren Äckern an. Ihr Gemüse bietet sie in Biokisten und auf dem Bauernmarkt in Bruneck an. Dort tretet sich gerne in Kontakt mit den Menschen und gibt ihr Wissen über lokale Sorten und Saatgutvermehrung weiter.
Saatgut ist Kulturgut
Seit Jahren kämpft Sabine für eine sinnvolle Gesetzgebung. Es herrscht Unklarheit über das, was eigentlich möglich und erlaubt ist, und wo die Grenzen des Machbaren liegen. Für Sabine ist dies inakzeptabel. Seit Jahre kämpft sie dagegen an. In zahlreichen Gesprächen mit den politischen Zuständigen weist sie immer wieder auf die Notwendigkeit eines Saatgutgesetzes hin, das die Tätigkeit der lokalen Erhalterinnen und Erhalter nicht einengt. Sie fordert von der Politik die Erhaltung und Weitergabe von lokalem Saatgut zu fördern. Und es ist genau dieser Kampfgeist, dieser unermüdliche Wille der Sabine dazu antreibt, dieses Thema immer wieder aufzugreifen. Wer sie kennt, der erlebt sie stets als kämpferisch, sehr authentisch und es geht ihr immer um die Sache, und zwar um das Saatgut als Gemeingut zu erhalten.
Saatgutfeste – Begegnung, Vernetzung, Austausch
Eine sehr wichtige Initiative sind die Saatgutfeste. Sabine war es, die sie 2015 initiiert hat, mit tatkräftiger Unterstützung von Saatgutfrauen unter anderem von Martha Lochmann, Barbara Dejori und Klara Aichner. Durch die Saatgutfeste ist es ihr gelungen, das Interesse an lokalem Saatgut zu steigern. Man spricht darüber, viele fragen nach, haben Interesse und probieren aus. Die Saatgutfeste bieten Austausch von Saatgut. Sabine sorgt zudem für ein inhaltliches Programm zum Thema Kulturpflanzenvielfalt. So schafft sie es, neue Themen und Projekte anzusprechen und aufzuzeigen. Und gleichzeitigt sind die Saatgutfeste Ausgangspunkt neuer Initiativen. Durch ihre Referententätigkeit gelingt es Sabine auch immer wieder für dieses Thema zu sensibilisieren. Als Hof- und Gartenführerin unter der Marke “Südtiroler Bäuerinnen. Aus unserer Hand” lädt sie immer wieder Interessierte zu sich auf den Hof, zeigt wie sie arbeitet, begeistert sie von den lokalen Sorten und die Lust am Kochen mit dieser lokalen Vielfalt. Sie zeigt, wie das Vermehren von Saatgut geht.
Zentrum für Kulturpflanzenvielfalt
Ein großes Anliegen ist ihr der Aufbau einer Datenbank in Südtirol. Diese soll den Zugang zu lokalem Saatgut ermöglichen. Die Erhalterinnen und Erhalter sollen untereinander, aber auch mit interessierten Bäuerinnen und Bauern sowie Hobbygärtnerinnen und -gärtnern in Verbindung treten und Saatgut erwerben können, ganz unkompliziert. Die Verwirklichung des Projektes ist leider nicht einfach, vor allem weil es mit Kosten verbunden ist. Leider gibt es keine öffentlichen Geldmittel dafür, weil der wirtschaftliche Anreiz fehlt. Trotzdem hält Sabine an ihrem Traum fest, ein Zentrum für Kulturpflanzenvielfalt zu schaffen. Nicht nur für sich als Anlaufstelle, sondern vor allem für die Menschheit, für die Bäuerinnen und Bauern, für all jene, die gerne “gartln” und für diejenigen, die die lokalen Kulturpflanzen erhalten wollen, dann das ist nachhaltig, das ist bäuerliche Kultur, das ist Biodiversität leben.
Verein Artenvielfaltshöfe – Arche Südtirol
Sabine setzt sich unermüdlich und aus tiefer Überzeugung für die Kulturpflanzenvielfalt ein – ehrenamtlich und ohne finanzielle Entlohnung. Sie war lange Mitglied im Sortengarten Südtirol, bevor sie 2021 den Verein Artenvielfaltshöfe – Arche Südtirol gründete. Ihr Ziel war es, eine Plattform für Artenvielfaltshöfe zu schaffen. Diese Vernetzung ist ihr sehr wichtig, denn nur durch ein aktives Netzwerk und durch im Austausch sein bleibt das Saatgut erhalten.
Gemüsevielfalt als Chance
Zwischen 2021 und 2023 war Sabine im Rahmen des lnterregg Dolomiti-Live Projektes „Pustertaler Kulturpflanzen Vielfalt" (PuKuVi), ehrenamtlich eingebunden. Sie war die Initiatorin des Projektes. Als Projektpartner mit neben der Eurac auch die Universität für Bodenkultur Wien. Dr. Mag. Brigitte Vogl-Lukasser und Prof. Dr. Dl Christian R. Vogl von der Universität für Bodenkultur in Wien heben in ihrem Referenzschreiben besonders das Erfahrungswissen und das Engagement von Sabine hervor: “Sie weist immer wieder daraufhin, dass Gemüsevielfalt eine Chance zur Förderung der lokalen Produktions- und Vermarktungschancen von Gemüsebaubetrieben ist, aber zu wenig Unterstützung erfährt. Dieser Forderung können wir uns nur anschließen. Durch das Sichtbarmachen von engagierten Persönlichkeiten, die sich diesem Thema widmen, etwa im Rahmen der Preisverleihung ,,Kreativität für die Landfrauen", kann diese Forderung unterstützt werden.”
Ruferin in der Wüste
Sabine Schrott versteht es, Menschen für Kulturpflanzenvielfalt zu begeistern und dies sei für die Südtiroler Kulturlandschaft sehr wertvoll, sagt Maria Kuenzer, ehemalige Landesrätin und Landesbäuerin: “Sabine Schrott ist und bleibt eine ständige Ruferin in der Wüste für unser aller Kulturgut, die alten Samen und Sorten leidig zu erhalten. Sie ist eine freiheitsliebende Frau und ihre Unabhängigkeit spiegelt sich auf ihren Feldern in der Vielfalt der Aussaat von Farben Formen wider. Sabine bleibt nicht beim Wissen über altes Saatgut stehen. Sie baut und investiert in Netzwerke gleichgesinnter Frauen in der Südtiroler Gesellschaft.” Und genau deswegen hat die Südtiroler Bäuerinnenorganisation für sie den Antrag für den Preis für die Kreativität der Landfrauen eingereicht, um ihre Pionierarbeit aufzuzeigen und ihr die Wertschätzung entgegenzubringen, die sie sich verdient. “Es braucht Menschen, die sich um Saatgut und um Kulturpflanzen kümmern und diese auch anbauen, pflegen, hegen, auslesen und vermehren. Wenn sie immer weniger werden, hat das dramatische Auswirkungen für die Vielfalt der Kulturpflanzen. Je mehr Menschen Saatgut vor Ort vermehren, je vielfältiger sind die Kulturpflanzen. Deswegen sind Menschen wie Sabine Schrott, die das Handwerk der Saatgutvermehrung noch ausüben, sehr wertvoll. Und wir freuen uns, dass sie dafür die Auszeichnung “Preis für die Kreativität der Landfrauen“ erhält,” sagt Landesbäuerin Antonia Egger.
INFO:
Seit 1995 werden mit dem „Preis für die Kreativität der Landfrauen“ der „Women’s World Summit Foundation“ (WWSF) – (Frauen-Weltgipfel-Stiftung) weltweit Frauen geehrt, die sich für die Verbesserung der Lebensqualität im ländlichen Raum einsetzen. In diesem Jahr werden weltweit sechs Frauen mit diesem Preis ausgezeichnet. Auf Vorschlag der Südtiroler Bäuerinnenorganisation wurde Sabine Schrott Prenn nominiert und schließlich auch ausgewählt. Der Preis wird am Sonntag, den 13. Oktober in Uttenheim verliehen. Anlass dafür ist der Welttag der Landfrauen am 15. Oktober.
von Ulrike Tonner
Bild: SBO_Sabine Schrott Prenn