Die Bürde und der Luxus des Anfangs
Maria Leiner aus Marling war die erste gewählte Landesbäuerin Südtirols. Von 1981 bis 1995 leitete sie die Geschicke der noch jungen, aber schnell wachsenden Bäuerinnenorganisation, die heute der größte Frauenzusammenschluss des Landes ist.
„Aller Anfang ist schwer“, oder „Der schwerste Schritt ist der über die Schwelle.“ – Zu neuen Anfängen gibt es allerlei kluge Sprüche, den erhobenen Zeigefinger inklusive. Wollte man jedoch für den Start, den die Bäuerinnen 1981 hinlegten und vor allem für ihre erste Vorsitzende Maria Leiner, Bäuerin vom Untersteiner, ein Sprichwort suchen, so wäre es wohl: „Frisch gewagt,ist halb gewonnen!“ Maria Leiner lehnt sich im Stuhl zurück und schmunzelt: „Was waren wir unbekümmert damals, voller Ideen, aber noch ohne jegliche Ahnung, wie man einen solchen Verband auf Landesebene aufbaut!“ Am 5. April 1981 wurde die Marlingerin bei der Gründungsversammlung der Südtiroler Bäuerinnenorganisation mit 56 von 95 Stimmen zur ersten Landesbäuerin gewählt. „È biondissima ed affascinante la neo-‚regina‘ delle contadine“ titelte damals die italienische Tageszeitung Alto Adige, und die Dolomiten schrieb vom „unmissverständlichen Willen der weiblichen Vertreter dieses bedeutenden Berufsstandes, an die Öffentlichkeit zu treten“. Über 400 Bäuerinnen aus Berg und Tal waren ins Grieser Kulturheim gekommen, zum ersten Landesbäuerinnentag unter dem Motto „Mit Freude Bäuerin sein“.
Maria Leiner war damals 45 Jahre alt, in der Blüte ihrer Jahre, wie sie heute sagt: „Es gab damals viel Arbeit am Hof, wir hatten den Umbau gerade hinter uns und mit den Ferienwohnungen hatte ich auch mehr als genug zu tun. Die Kinder waren schon recht groß, die Älteste arbeitete bei Athesia und die beiden anderen steckten in ihren Teenagerjahren, da ging es mit den Bäuerinnen los.“ Zuerst auf Ortsebene; in Marling suchten die Vertreter des Bauernbundes nach Frauen, die bereit waren, sich für die Sache der Bäuerinnen stark zu machen. Der Stellenwert der Bäuerinnen sollte aufgewertet werden, mit einem eigenen Verband. „Den hatte sich der Bauernbund quasi zum 75. Geburtstag geschenkt“, weiß Maria Leiner. „Ich weiß noch genau, wie mich der Marlinger Ortsobmann Georg Menz Popp gefragt hat, ob ich dabei wäre, und ich habe ja gesagt.“ Von ihren Eltern sei sie, die Älteste von 9 Geschwistern, immer recht zur Verantwortung erzogen worden, der Vater hätte ihr beigebracht, „vorne zu sein“. Maria Leiner ist selbst Bauerntochter, aufgewachsen auf dem Knorznerhof in Marling mit Obst- und ein wenig Weinbau, unweit vom Untersteinerhof, wo sie eingeheiratet hatte. „Fürs Bäuerliche bin ich immer gewesen, für mich ist die Landwirtschaft mein Leben, von daheim aus und auch später gemeinsam mit meinem Mann auf unserem Hof. Ich hab’ immer gearbeitet und nie mit Unwillen.“
Die Mobilisierung der Bäuerinnen auf Orts-, Bezirks- und Landesebene kamen ihr und anderen wie gerufen, die Zeit sei reif gewesen für ein Hinausgehen und mehr Sichtbarkeit für den Berufsstand. „Wer damals Bäuerin war, hatte kaum Geld, keinen Urlaub und keine Zeit für sich, man fühlte sich also ein wenig minderwertig“, erinnert sich Maria Leiner. Gerade deshalb fiel die Gründung einer Organisation auf so fruchtbaren Boden. Innerhalb des ersten Jahres, noch vor der Versammlung in Gries, hatte man 60 Ortsgruppen aufgebaut, die Motivation und der Pioniergeist unter den Bezirksbäuerinnen war hoch, erinnert sich Leiner. „Wir hatten wirklich das Gefühl, wir können die Welt zerreißen, so fühlten wir uns! Es war ja von null weg, wir konnten praktisch nichts falsch machen.“ So habe man einfach flott drauflosgearbeitet, mit der damaligen Landtagsabgeordneten Maria Bertolini und dem späteren Sekretär der Südtiroler Bäuerinnenorganisation Georg Viehweider von Beginn an unterstützend an der Seite. „Besonders der Jörgl hat uns von Anfang an sehr geholfen, er kam von der Bauernjugend und wurde unser Sekretär und hat mir auch das Gefühl gegeben, dass wir das gemeinsam schaffen.“
Die erste Vorsitzende der neuen Organisation sollte dem Bild der fortschrittlichen, dynamischen Bäuerin entsprechen, mit Maria Leiner hatte man die richtige Frau dafür gefunden. „Es gab eine Mitkandidatin damals, Elisabeth Rabanser aus Barbian, eine Eisacktalerin, die wohl mehr die Bergbäuerinnen vertrat, jedenfalls habe ich das so verstanden.“ Das Verhältnis von Berg- zu Talbäuerinnen sei stets ein wenig gespannt gewesen, verrät Maria Leiner, „das ist kein Geheimnis.“ Doch wichtiger war die Aufwertung für den Berufsstand insgesamt. Und darin zogen alle an einem Strang, von Anfang an. Mit Tatkraft ging man an die Arbeit heran, ob es die ärztliche Versorgung am Land war, die Gleichstellung mit erwerbstätigen Frauen, die Unterstützung des bäuerlichen Notstandfonds oder die Witwenehrungen und Auszeichnungen für besonders prägnante Frauen. „Das Politische musste ich erst nach und nach lernen“, bekennt Maria Leiner, „denn damals war es oft noch so, dass eine Meinung weniger galt, wenn sie von einer Frau kam, und so habe ich mich oft der Sache wegen von einem Mann vertreten lassen.“ Erst nach und nach sei sie auch hierin standhafter geworden, durchsetzungsfähiger. „Alles in allem war es eine schöne und bewegende Zeit, und ich glaube, dass ich, dass wir in 14 Jahren durchaus gezeigt haben, wer wir sind und was wir können“, ist sich Maria Leiner sicher. Nach ihr wurde die Boznerin Gretl Schweigkofler als zweite Landesbäuerin 1994 gewählt. „Man wollte damals, dass ich weitermache, für die Seniorinnen. Aber ich wollte mehr Zeit für meine Familie und mich haben.
CH
Quelle: Festschrift 35 Jahre SBO