Das Zusammenleben mehrerer Generationen ist nicht immer einfach – besonders auf einem Bauernhof nicht. Bei einem Vortrag am Samstag, dem 27. November, in Nals erhielten bäuerliche Familienmitglieder Tipps, wie ein gutes Miteinander gelingt. von Anna Pfeifer
Und manchmal muss man auch einfach beide Augen zudrücken“, sagt Susanne Fischer, Sozial- und Eheberaterin aus Oberösterreich. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Erhard Reichsthaler ist sie seit sieben Jahren in ganz Österreich unterwegs und bietet Beratungen und Seminare für ein gutes Miteinander an. Ihre Erkenntnis: Die Themen, die die Menschen bewegen, sind überall die gleichen – Partnerschaft, Schwiegereltern, Kinder. Aber auch das Thema Hofübergabe begegnet den beiden regelmäßig.
Mit Witz und Leichtigkeit präsentierten sie bei der Tagung „Für ein gutes Miteinander“ den rund 50 Zuschauerinnen und Zuschauern im Haus der Vereine in Nals das sonst so ernste und bedrückende Thema der Generationenkonflikte. Die große Herausforderung auf den Höfen sei, dass dort zwei Systeme zusammentreffen, die eigentlich nicht vermischt werden dürften: das System „Arbeit“ und das System „Familie“. Beim System „Arbeit“ gehe es darum, etwas zu produzieren oder eine Dienstleistung zu erbringen. Bei der Familie ginge es um die „Aufzucht“ – das habe einmal eine Teilnehmerin eines Seminars gesagt und damit das Großziehen der Kinder gemeint. Beide Systeme funktionieren unterschiedlich, und das kann zu Reibereien führen.
Erhard Reichsthaler erklärte: „Die Bäuerinnen und Bauern in Österreich sind sehr außenorientiert und möchten nicht, dass familiäre Konflikte nach außen getragen werden. So kommt es, dass jede Familie denkt, sie sei die einzige mit einem Konflikt. Jedoch ergeht es den anderen genauso.“
Deshalb sei eine Konfliktkultur so wichtig – denn durch Reden kann man viele Probleme lösen.
Nicht über Familie des Partners urteilen
Ein weiterer Ratschlag, den Fischer und Reichsthaler an alle Paare – unabhängig ob bäuerlich oder nicht – erteilten, war, dass man niemals über seine Schwiegerfamilie schimpfen dürfe. Jede Familie sei anders, und man dürfe als Außenstehender nicht darüber urteilen. Aus Liebe zum Partner müsse man dessen Familie respektieren. Ein weiterer Ratschlag war, tolerant zu sein. Damit das gelinge, brauche es in einem Mehrfamilienhaus klar getrennte Privatbereiche für jede Familie. „Abstand macht Toleranz erst möglich“, erklärte Fischer. Für gemeinsam genutzte Bereiche brauche es klare Regeln, z. B. wer diese reinigt und wie oft.
Ansonsten sei ein Mehrgenerationenhaus ideal zum Leben und für die Kindererziehung. „Wenn mehrere Generationen vor Ort sind, dann können die Kinder von jedem etwas anderes lernen“, sagt Erhard Reichsthaler.
Respekt und Toleranz sind grundlegend
Ebenso wichtig sei es, die Hofübergabe offen zu besprechen und klar zu regeln. „Wir sehen immer wieder, dass dieses Thema zu wenig Achtung erhält“, so die Referenten. Hofübergeber wie Hofübernehmer müssen sich im Klaren sein, was sie fordern bzw. zu welchen Bedingungen sie den Hof übernehmen. Wichtig sei auch, den Altbäuerinnen und Altbauern für ihre weitere Mithilfe am Hof dankend gegenüberzutreten und ihnen eine Gegenleistung zu geben.
Reichsthaler erläuterte: „Man sollte mit den Seniorbauern umgehen wie mit einem Nachbarn: Um Hilfe bitten, eine Gegenleistung erbringen und sich bedanken.“ Mit diesen kleinen und großen Gesten könne das Leben auf einem Bauernhof mit mehreren Generationen gelingen. Wertschätzung, Respekt und Toleranz sind die Grundlage für ein gutes Miteinander.
Lockdowns: Mehr Menschen suchten Hilfe
Um Konfliktsituationen vorzubeugen, haben die Seniorenvereinigung im Südtiroler Bauernbund, die Südtiroler Bäuerinnenorganisation, die Südtiroler Bauernjugend und der Südtiroler Bauernbund gemeinsam diese Tagung organisiert. Gerade während der Lockdowns traten mehr Menschen als gewöhnlich mit ihren Sorgen an die bäuerlichen Organisationen heran. Oft fühlten sie sich in ihrer Familie einsam, oder es gab Konflikte zwischen den Generationen, die am Hof zusammenlebten. Die Landespräsidentin der Seniorenvereinigung im Südtiroler Bauernbund, Theresia Agreiter Larcher, berichtete in ihren Grußworten von ihren Erfahrungen: „Viele Seniorinnen und Senioren hätten während des letzten Lockdowns Hilfe und Unterstützung gebraucht, aber sie haben sich nicht getraut, etwas zu sagen. So sind sie vereinsamt. Erst als wir im ‚Seniorenboten‘ ein Interview mit Nicole Irsara von der Lebensberatung für die bäuerliche Familie veröffentlichten, haben sich viele Senioren gemeldet und Hilfe angenommen.“ Die Lebensberatung für die bäuerliche Familie war in solchen Fällen gleich zur Stelle und hatte für alle Anliegen ein offenes Ohr. Die Organisation gibt es seit 2009 – angefangen hat sie mit zwölf freiwilligen Frauen. Aktuell bieten 25 Frauen und ein Mann ehrenamtlich Beratungen an.
Gutes Miteinander ist Basis
Bauernbund-Landesobmann Leo Tiefenthaler zeigte sich in seinen Grußworten zuversichtlich: „Generationenkonflikte gibt es seit jeher. Die Generationen haben unterschiedliche Meinungen und Herangehensweisen. Aber durch Gespräche können diese Verschiedenheiten überwunden und ein gemeinsamer Weg gefunden werden.“ Auch für Landesbäuerin Antonia Egger war klar: „Besonders innerhalb der Familie ist ein gutes Auskommen wichtig. Dass ein Partner von außerhalb des Hofes kommt, erschwert die Situation zusätzlich – es treffen nämlich zwei Welten aufeinander. Jede Familie hat andere Gewohnheiten und Rituale. Es braucht einige Zeit, bis man das begreift und akzeptiert.“ Die Landesvorsitzenden der Südtiroler Bauernjugend, Angelika Springeth und Raffael Peer, unterstrichen, dass ein respektvolles Zusammenleben am Hof die wichtigste Grundlage für ein erfolgreiches Wirtschaften sei.