Konflikte gehören zum Leben dazu. Aber man möchte sie lieber "unter den Teppich kehren": Doch das Gute an einem Konflikt ist, dass eine konstruktive Lösung eines Konfliktes wesentlich zur Steigerung der Beziehungsqualität in der Familie oder in der Nachbarschaft beitragen kann. Der Mediator und Konfliktberater Lukas Schwienbacher, der auch als Referent bei der 4. Ausbildung der Lebensberatung tätig war, stellt sich den Fragen von Nicole Irsara.
Nicole Irsara: Eine Aussage von Ihnen: Hinter jedem Konflikt steckt ein Bedürfnis. Was heißt das genau?
Lukas Schwienbacher: Konflikte können entstehen, wenn Menschen Angst haben, dass Bedürfnisse, die ihnen sehr wichtig sind, nicht wahrgenommen oder bedroht werden. Ich nehme ein Beispiel von einem Bauernhof. Der junge Bauer hat das Bedürfnis etwas Neues zu wagen, der Vater hingegen hat das Bedürfnis das, was über Jahrzehnte aufgebaut wurde, zu erhalten. Zwei unterschiedliche Bedürfnisse treffen also aufeinander. Beide Bedürfnisse sind berechtigt, keines ist besser oder schlechter als das andere. Der Konflikt entsteht aber erst dann, wenn jeder nur sein eigenes Bedürfnis erfüllt haben will und nicht auch das des anderen berücksichtigt. Das heißt, nicht die unterschiedlichen Bedürfnisse sind das Problem, sondern die Art und Weise wie man damit umgeht.
Wie gehen wir im Alltag mit Konflikten um? Das ist von Person zu Person sehr verschieden. Es gibt Menschen, die den Konflikt eher vermeiden und ihm ausweichen, nachgeben oder sich durchsetzen (im schlimmsten Fall auch mit Gewalt). All diese Strategien führen aber meist zu noch größeren Konflikten oder Spannungen. Es gibt aber auch Menschen, die den Konflikt ansprechen und versuchen eine Lösung zu finden, die den Anliegen, Wünschen sowie Interessen aller Beteiligten entspricht. Je früher ein Konflikt angesprochen wird, desto rascher kann er im Normalfall gelöst werden.
Kann man lernen mit Konflikten umzugehen? Ja, ich bin überzeugt, dass das jeder Mensch lernen kann. Kinder oder Jugendliche, die in der Familie bereits lernen einen Konflikt anzusprechen, bzw. über die eigenen Bedürfnisse und die der anderen Bescheid wissen, haben natürlich einen Vorteil. Jene, die nie gelernt haben, darüber zu sprechen oder auch nicht sprechen durften, wie es bei der älteren Generation vielleicht der Fall ist, tun sich natürlich schwerer. Grundsätzlich geht es darum, dass man Probleme anspricht und versucht auch die Sichtweisen und die Bedürfnisse des Gegenüber zu verstehen.
Die Bedürfnisse anderer wahrnehmen. Ist das schwierig? Auch dabei geht es vielfach darum, wie man es in der Vergangenheit erfahren hat und wie man es gelernt hat, im Elternhaus, in der Schule, bei Freunden. Eine Voraussetzung ist auch, dass das Gegenüber die Bedürfnisse äußert. Es kommt häufig vor, dass man sich z. B. vom Partner ein gewisses Verhalten wünscht, aber ihm nie klar sagt, was man sich eigentlich wünscht.
Wichtig ist also Bedürfnisse, Wünsche, Anliegen anzusprechen? Genau, das ist sehr wichtig. Um ein Gespräch kommt man nicht umhin. Gerade auf einem Bauernhof gibt es häufig Situationen, die zu Konflikten führen, weil mehrere Generationen zusammenleben, weil der Hof Wohn- und Arbeitsstätte ist und man sich nicht ausstellen kann.
Hier jedem Bedürfnis gerecht zu werden ist vielleicht schwieriger, oder? Richtig. Das ist natürlich schwieriger als in einem Zwei - Personen - Haushalt, weil die Bedürfnisse und Werte mehrerer Menschen aufeinandertreffen und mehrere Bedürfnisse zu befriedigen sind. Gerade deshalb ist es wichtig, von Anfang an klare Abmachungen zu treffen, ins Gespräch zu kommen um eine vertrauensvolle Beziehung untereinander aufzubauen und diese Beziehung dann auch zu pflegen. Eine Möglichkeit wäre, regelmäßige sogenannte, nennen wir sie Familiengespräche zu führen, wie es in anderen Betrieben auch gemacht wird. Dann lassen sich größere Konflikte vielfach vermeiden. Denn wichtig ist immer, Konflikte nicht unter den Teppich zu kehren, sondern möglichst schnell darauf zu reagieren und darüber zu sprechen.
Wenn man es alleine nicht schafft: Was dann? Man kann sich an eine Vertrauensperson wenden, mit der man über den Konflikt sprechen kann. Man kann dadurch eine andere Sichtweise bekommen. Wenn das nicht ausreicht, sollte man sich unbedingt Unterstützung von außen holen. Das kann auch die Lebensberatung der Bäuerinnen sein, die hilft ein Familiengespräch zu führen. Wenn der Konflikt allerdings schon sehr verfahren ist, kennt sie die Adressen von erfahrenen Mediatoren. Es zeigt von Stärke sich Hilfe zu holen. Oft geht es einfach alleine nicht. Genauso wie man sich an einen Nachbarn oder Mechaniker wendet, wenn man den Traktor nicht alleine reparieren kann, sollte man sich Hilfe holen, wenn man alleine den Konflikt nicht lösen kann. Das sollte zur Selbstverständlichkeit werden. Denn gerade auf einem Hof ist ein gutes Miteinander ausschlaggebend für den betrieblichen Erfolg.
Der Gesprächspartner: Dr. Lukas Schwienbacher, Bildungs- und Erziehungswissenschaftler, Mediator und Konfliktberater, Koordinator der Fachstelle Gewaltprävention im Forum Prävention – Bozen; Kontakt: 0471 324 801
Lebensberatung für die bäuerliche Familie: 0471 999400 oder lebensberatung@baeuerinnen.it