Schwierigkeiten aus der Welt schaffen, Streitpunkte klären, Kompromisse eingehen, Erwartungen zurückschrauben, überlegen, was man selbst möchte: All dies ermöglicht eine Beratung durch die Lebensberatung für die bäuerliche Familie. Eine Ratsuchende erzählt von ihren Erfahrungen.
von Ulrike Tonner
„Ich war positiv überrascht, mir wurde zugehört, ich fühlte mich wohl, meine Lebensberaterin kannte sich mit der Thematik Bauernhof ernsthaft aus und das gab mir Gefühl am richtigen Ort zu sein!“, erzählt Anna über ihr erstes Treffen mit einer Lebensberaterin für die bäuerliche Familie. Dankbar und hoffnungsvoll blickt sie in die Zukunft und möchte mit ihrer Geschichte anderen Mut machen sich Hilfe zu holen, wenn Unstimmigkeiten das Leben und Arbeiten am Hof erschweren. Denn eines ist für Anna von großer Bedeutung: „Die Freude. Wenn das Arbeiten am Hof keine Freude mehr macht, dann wird das Leben schwer!“
Die Bäuerin wirkt beim Erzählen ihrer Geschichte etwas zurückhaltend, aber doch bedacht und selbstsicher. Sie erzählt über ihr Leben am Hof, über die Verpflichtungen, die sie als Hofbesitzerin hat, aber auch für die Freiheiten. Sie hat ihren Hof vor fast 20 Jahren von ihrer Mutter übernommen. Für sie eigentlich ganz klar. Sie war die Einzige, die in Frage kam, da ihr Bruder frühzeitig verstarb. Gemeinsam mit ihrer damals 20jährigen Tochter fiel die Entscheidung etwas aus dem Hof zu machen. Alles nicht einfach. Ihren Beruf als Lehrerin wollte sie nicht aufgeben, liebte sie doch ihre Arbeit sehr. Und so musste beides gehen: Die Arbeit als Lehrerin und die Arbeit am Hof. Die Entscheidung das Hofgebäude zu renovieren bereut die heutige 60jährige Bäuerin nicht. „Ich war gerne Bauherrin, das hat mir Freude gemacht!“, sagt sie. Die Kombination Tierhaltung und Urlaub auf dem Bauernhof war für ihren Betrieb die richtige Entscheidung. Als jedoch die Pflege ihrer Mutter hinzukam, wurde es für Anna eng. „Früher da ging vieles gleichzeitig, doch mit dem Alter wird man langsamer“, sagt die Bäuerin. Im Nachhinein war es für sie gut, als sie vor einigen Jahre in Pension gehen konnte. Ihre Tochter war stets an ihrer Seite, doch das enge Verhältnis am Hof brachte auch seine Schattenseiten mit sich. „Ich war viel mit meiner Mutter unterwegs, musste sie zu den Therapien fahren, auf sie schauen, das nahm viel Zeit in Anspruch, meine Tochter verstand das nicht, sie warf mir vor, zu viel Energie in die Pflege zu investieren und dabei andere Tätigkeiten zu vernachlässigen“, erzählt Anna. Doch sie konnte nicht anders, war es doch ihre Mutter. Streitigkeiten häuften sich, auch die unterschiedlichen Sichtweisen. „Wenn das Heu heute gemäht wird, die Sonne aber nicht scheint und es deshalb bis morgen nicht trocken ist, sollte klar sein, dass es nicht sinnvoll ist übermorgen in den Urlaub zu fahren,“ sagt Anna. Auf dem Hof ist Flexibilität sehr wichtig. Das Leben und Arbeiten am Hof bedeutet mit der Natur zu leben, im Zusammenspiel mit der Natur Entscheidungen zu treffen. Den Urlaub schon Wochen vorher planen ist bei der Arbeit am Hof ungünstig, viele Aspekte gehen mit den Wetterbedingungen einher. Den Alltag am Hof naturgemäß einzuhalten ist ein weiterer Punkt, den die jüngere Generation lernen muss, so Anna: „Am Hof ist gemeinsames Arbeiten sehr wichtig, ansonsten wird es nicht gut gehen. Heutzutage sind auf den Höfen nicht mehr viele Leute, die Ressourcen knapp, der Hof wird meistens nebenher bewirtschaftet und das erschwert natürlich die ganze Situation.“ Auch Annas Tochter geht nebenher arbeiten und deshalb ist die Arbeitsaufteilung am Hof großes Thema.
Dies war oft Auslöser des Familienkonflikts. Die unterschiedlichen Erwartungen, Vorstellungen und noch dazu, dass man selbst nicht weiß, was man möchte. „Dinge, die mir wichtig sind, sind meiner Tochter nicht so wichtig. Das zu akzeptieren ist ein Lernprozess,“ so Anna. Sie wollte ihrer Tochter den Hof bereits vor einigen Jahren übergeben, jedoch hat sich die Situation geändert. Im Moment fühlt sich Anna nicht mehr danach. In näherer Zukunft ist die Hofübergabe geplant. Auch das ist ein Thema, das zu klären gilt.
Anna war es wichtig die Konflikte mit ihrer Tochter nicht offen stehen zu lassen. Sie sah, dass sie beide das nicht schaffen und bat ihre Tochter eine Beratung zu suchen. „Wenn man es alleine nicht klären kann, muss man mit jemanden darüber sprechen. Es ist bereits hilfreich, wenn eine Person das Gespräch auch nur begleitet,“ dessen ist sich Anna bewusst. Sie ließ ihrer Tochter die Entscheidung über, an wem sie sich für das Gespräch wenden würden.
Über einen Bericht im Südtiroler Landwirt wurde die Tochter auf die Lebensberatung der bäuerlichen Familie aufmerksam und wählte die Nummer der Koordinationsstelle. Die Verbindung der Beratungsstelle zur Landwirtschaft war der jungen Frau wichtig. Anna war zwar über die Auswahl ihrer Tochter überrascht, doch traf sie sich gerne zum Erstgespräch mit der Lebensberaterin. Anfangs führten sie Einzelgespräche im Bürogebäude des Südtiroler Bauernbundes, später trafen sich Mutter und Tochter zusammen mit der Lebensberaterin, direkt am Hof.
Durch die Gespräche ändern sich einige Verhaltensweisen. „Die Lebensberaterin leitet das Gespräch, hakt genau nach, sieht sich die Gesamtsituation an und sorgt für ein klärendes Gespräch, Streitpunkte werden viel einfacher geklärt. Mit diesen Gesprächen fängt man an nochmal über Sachen nachzudenken, man bekommt eine andere Sichtweise der Dinge und versucht Kompromisse zu finden. Die jeweiligen Erwartungen werden zurückgeschraubt, und das bringt einen anderen Ansatz mit sich, manches ändert sich dann von allein.“
(Text: 2020)
Anna ist wichtig, dass der Grund und Boden und die Tiere am Hof geschätzt werden sowie der Hof gut weiterbewirtschaftet wird: „Meine Tochter kann auch Neues machen, das ist kein Problem, Hauptsache sie kümmert sich darum.“ Der Vorwurf „Die Alten lassen die Jungen nicht machen“ trifft auf Anna demnach nicht zu. Sie lässt ihre Tochter neue Wege gehen. Es gibt aber noch einige Dinge zu klären, sei es rechtliche Angelegenheiten und die Einteilung der Arbeitsbereiche. Dazu werden noch einige Gespräch notwendig sein.
Anna ist aber optimistisch: Durch die Begleitung einer neutralen Person hat das Gespräch miteinander eine andere Wirkung: „Wenn ich mit meiner Tochter über diese Themen rede, ist die Situation immer gereizt. Wir werfen uns stets Sachen an den Kopf. Es dominierten immer Sturheit und Eigensinn, die dann ein klärendes Gespräch verhindern,“ weiß Anna aus Erfahrung. Deshalb ist sie dankbar für die Gespräche mit der Lebensberaterin. Das wichtigste für Anna ist, dass die Beraterin einfühlsam ist, dass sie die Abläufe am Hof versteht und einfach weiß, dass alles zusammenhängt. „Ich denke, da muss man eine Verbindung zur Landwirtschaft haben, um zu verstehen, warum man als Bäuerin und Bauer so denkt und handelt und warum verschiedene Problematiken am Hof entstehen.“ Deshalb rät Anna jedem ans Telefon zu greifen, und die Lebensberatung der bäuerlichen Familie zu kontaktieren, wenn es Konfliktsituationen am Hof gibt: „Zudem sind die Gespräche kostenlos, das ist für mich auch ein wichtiger Punkt und die Lebensberaterinnen kommen auch direkt am Hof. Die Gespräche helfen einfach, Schwierigkeiten aus der Welt zu schaffen.“