Vom Familienbetrieb zum familiengeführten Unternehmen
Der Landwirtschaftliche Familienbetreib war jahrzehntelag Leitbild in der Landwirtschaft. Welche Veränderungen in den kommenden Jahren auf dieses Unternehmen zukommen werden, diskutierte die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landwirtschaftlichen Familienberatungen und Sorgentelefon in Stuttgart. Die Südtiroler Bäuerinnenorganisation war mit dabei.
„Traditionen können nicht mehr einfach weitergegeben werden, sondern müssen neu verhandelt werden“, so Thomas Fisel, Referent und Coachingausbilder in der Landwirtschaft. Die Klärung der betriebsindividuellen Rollen- und die Aufgabenverteilung ist eine absolute Notwendigkeit, wenn ein Betrieb gut übergeben werden will und weitergeführt werden soll, so der Referent.
Drei Tage lang diskutierten Verantwortliche und Akteure der landwirtschaftlichen Familienberatungen und Sorgentelefone gemeinsam mit den Verantwortlichen der Lebensberatung für die bäuerliche Familie der SBO über den Strukturwandel und die damit zusammenhängenden Herausforderungen.
Folgende Veränderungen wurden zur vertieften Bearbeitung ausgewählt und diskutiert – auch im Hinblick auf die Relevanz für die Beratungen:
- Veränderung im bäuerlichen Wertekosmos
Bauer sein bedeutete früher „Schaffer“ zu sein, meist als Einzelkämpfer. Der Bauernhof war der Lebensmittelpunkt der kompletten bäuerlichen Familie und stand für Beständigkeit und Bodenständigkeit. Mittlerweile ist ein Bauer Manager eines Betriebes, welcher häufig in Konkurrenz zu anderen Betrieben steht und Produktionsstätte für die Gesellschaft ist. Dass Familienmitglieder mitarbeiten ist längst nicht mehr selbstverständlich und so muss ein Bauer auch ein immer besserer Netzwerker werden um das Überleben seines Betriebes zu sichern. Eine Folge sind die zunehmenden Generationskonflikte innerhalb eines Betriebes, da häufig zwei völlig unterschiedliche Welten aufeinanderprallen.
- Veränderung im Hinblick auf den/die Lebenspartner/in
War es früher selbstverständlich, dass der Lebenspartner seine komplette Zeit dem Betrieb schenkt, dort mitarbeitet und mitlebt, ist dies heutzutage eher die Ausnahme: Oft kommt der Lebenspartner aus einem anderen Umfeld und bleibt diesem Umfeld so lange als möglich treu. Das neu gewonnene Selbstbewusstsein der Frauen bringt es mit sich, dass diese ihre Freiheit und Individualität leben wollen und dies zu Konflikten zwischen Partnern führen kann.
- Veränderungen im Bereich Dienstleistungen/ Kooperationen
Lebte der Bauer – bzw. dessen Familienangehörigen – früher in einem geschlossenen System und konnte daher das meiste alleine machen und selber entscheiden, so macht er heute viele Dinge in Kooperation mit anderen Bauern/ Dienstleistern, delegiert Aufgaben und vertraut, dass diese gut ausgeführt bzw. übernommen werden. Spielte früher die Tradition eine große Rolle, so steht mittlerweile immer mehr die Innovation im Mittelpunkt und das „sich spezialisieren“ in einem gewissen Bereich. Das führt dazu, dass man sich oft Hilfe von außen holen muss und der Bedarf an zwischenmenschlicher, aber auch fachlicher Kommunikation steigt. In einem Betrieb sind viele Akteure miteingebunden. Je besser ein Bauer vernetzt ist, desto eher wird er auch Erfolg haben.
- Veränderungen im Bereich auf die Hofübergabe
Dass der älteste Sohn den Hof ohne Wenn und Aber übernimmt, war früher logisch und selbstverständlich. Genauso wie es selbstverständlich war, dass auch mehrere Generationen auf einem Hof lebten. Die Hofübernehmer der neuen Generation haben oft andere Vorstellungen davon, wie der Betreib weitergeführt werden soll oder muss, haben häufig eine bessere Ausbildung genossen als ihre Eltern und zeigen mehr Mut, neue Wege zu gehen, wobei „neue Wege gehen“ auch bedeuten kann, den Hof nicht zu übernehmen, ihn zu verpachten, zu verkaufen oder aufzulösen. Dies führt wiederum zu großen Problemen zwischen den Generationen, häufig mangelnde Wertschätzung und ein nicht verstehen Wollen der anderen Sicht, welches nur in offenen Gesprächen gelöst werden kann.
Lebensberater/innen können diese Entwicklungen im Regelfall nicht beeinflussen, sondern sind eher als Unterstützer bei der Bewältigung gefragt. Dabei gilt es, dass der Ratsuchende einen ersten Schritt tut und die Bereitschaft zum Handeln zeigt. Während Angst, mangelndes Selbstwertgefühl, das Nicht- Erkennen oder Nicht-Einsehen wollen von Gewohnheiten und Mustern, Misstrauen oder mangelnde Kommunikationsbereitschaft den Veränderungsprozess hindern, unterstützen Vertrauen, Respekt und die Bereitschaft, die Situation für alle Angehörigen zum Besseren zu verändern, den Weg zur Lösung.
Die Lebensberater/innen für die bäuerliche Familie können diesen Prozess begleiten.
Informationen zur Lebensberatung für die bäuerliche Familie gibt´s unter 0471 999400 oder unter www.baeuerinnen.it
Bildtext: v.l.n.r.: Fritz Kroder, Landw. Familienberatung Bayern, Landesbäuerin Hiltraud Erschbamer, 1. Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Familie und Betrieb Thomas Dietrich, Verena Niederkofler und Geschäftsführer der BAGRainer Wilczek