Brauchtumskalender der Bäuerinnen Nr. 28/53 vom 3. Mai 2021
„Maienpfeifen“ zu schnitzen ist ein Brauch, der gerne bei einem Maiausflug von Generation zu Generation weitergegeben wird. Auf frischen und saftigen Weiden- oder Eschenzweigen wird mit dem Griff des Taschenmessers so lange auf den Ast geschlagen, bis sich die zarte Rinde (der Balg) löst. In das nackte Holz werden dann einige Einkerbungen geschnitten und nachher der unversehrte Balg wieder darübergezogen.
Während des Schlagens mit dem Messergriff auf den grünen Ast wurden früher lustige Sprüche und Verse aufgesagt. Und dann sollte sich der Balg vom Holz gelöst haben. Sollte das nicht der Fall sein, wird noch der der Spruch Modernodeiline, der Roggen isch schian griene angehängt.
Maienpfeifenschnitzvers
Maia, maia Pfeife, die Kotze hot die scheiße,
der Hund hot die Pludo,
Madl schlein di mit der Hudo.
Steigt sie augn afs Milla- Doch,
follt sie ogn in die tiefn Boch.
Kimmp sie zu der Bruggn, fressn sie die Muggn;
kimmp sie hin af Bruneggn um a Fuido Fleggn;
kimmp sie hin af Pfolzn, die Suppe zu solzen;
kimmp sie af Lorenzn, die Talla zi schwänzn;
kimmp sie af Brixen, die Stiefl zu wixn;
kimmp sie af Klausen, die Gitschn zi lausn;
kimmp sie af Boazn um a Fuido Kloazn;
kimmp sie af Weißnstuan,
kimmp sie erst um zwölfa di Nocht huam.
Stiogele au, Stiogele ou,
schlog do Kotzn den Bolg ou.
Text© „Lebendige Bräuche in Südtirol“, Jutta Tappeiner & Hans Grießmair, Athesia Verlag 2019
Bild©Armin Huber