Warum für die Kinder der Kontakt mit den Tieren so wertvoll ist und warum der Bauernhof der beste Ort ist, wo Kinder Wertschätzung erfahren, weiß Elisabeth Naurath, Lehrstuhlinhaberin für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts an der Universität Augsburg. Sie war bei der SBO-Pressekonferenz Wert - volle Landwirtschaft am 15.10.2015 auf dem Untertrotnerhof in Oberbozen mit dabei.
Warum braucht es zur Wertebildung den Bauernhof?
Elisabeth Naurath: Kinder brauchen auch einen Erlebnisort. In der Schule, im Klassenzimmer, wenn sie vorrangig nur kognitiv arbeiten, also nur mit denken und sprechen beschäftigt sind, da bilden sich weniger Werte als wenn sie einen Erfahrungsraum haben. Den bietet natürlich der Bauernhof in bester Art und Weise. Hier können sie den Tieren begegnen. Viele Kinder haben wenig Kontakt, gerade in den Städten. Auf dem Bauernhof sehen sie wie die Tier aufwachsen, wie sie aussehen, wie sie auf die Welt kommen, wie sie gefüttert werden wie. Sie können die Tier anfassen, gerade das ist ein wichtiger Moment, um die Wertschätzung gegenüber dem Tier zu lernen.
Warum sind Tiere für die Kinder so wichtig?
Viele Kinder wachsen heute in engen Zeitrythmen auf, fühlen sich sehr gestresst dadurch. Man nennt es Termin-Kindheit: Sie müssen von Termin zu Termin gebracht werden, müssen ihre Leistungen erbringen, die Erwachsenen haben wenig Zeit. Die Tiere haben immer Zeit, die müssen nicht weg, sie sind meistens zum Spielen aufgelegt, die bleiben da, wenn man sie streicheln will. Dieses Zeithaben ist ein wichtiger Faktor. Ein anderer Faktor ist, dass sie die Tiere berühren können, sie eine Nähe, eine Beziehung zu den Tieren aufbauen können. Dann auch dass sie versorgen dürfen: Hier wird ihnen nicht gesagt, du bist zu klein, das kannst du nicht, sie dürfen einfach selber tätig werden. Das macht natürlich Spaß, aber das setzt auch Selbstbewusstsein in Gang und sie fühlen sich wertgeschätzt.
Was nehmen die Kinder von einem Schule am Bauernhof-Besuch mit?
Ich glaube, dass sie erst mal viel Spaß mitnehmen. Dann dürfen sie selbst aktiv sein, sie dürfen die Dinge anfassen, Lebensmittel produzieren, selber Butter schlagen. Sie entdecken: ah, man nimmt von der Milch den Rahm und der wird im Butterfass geschlagen. Das ist richtig Arbeit, da muss man sich anstrengen, das fällt nicht einfach vom Himmel. Und wenn sie das selber machen dürfen, dann entdecken sie, dass sie selbst tätig werden können. Sie fühlen sich in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt und da kommt was Schönes heraus am Ende: Das sieht gut aus, das schmeckt gut. So erleben sie überhaupt erst, was für ein Wert dahinter steckt, die Lebensmittel zu produzieren.
Interview: Ulrike Tonner