Miteinander auf dem Hof: Das Besondere am bäuerlichen Alltag ist, dass Arbeits- und Lebenswelt eng miteinander verknüpft sind. Mitunter wohnen und arbeiten mehrere Generationen zusammen, was zu Konflikten führen kann. Insbesondere, wenn Veränderungen stattfinden, weil Menschen dazukommen, bzw. sich Rollen ändern. Um die bäuerliche Familie diesbezüglich noch besser begleiten zu können, haben sich die ehrenamtlich tätigen Lebensberaterinnen kürzlich bei Toni Fiung weitergebildet. Nicole Irsara, Koordinatorin der Lebensberatung für die bäuerliche Familie, hat mit dem Familienseelsorger und Autor über seine Erfahrungen gesprochen.
Nicole Irsara: Sie sprechen von Familie als soziales Netzwerk. Was bedeutet das genau? Bei Netzwerk denkt man nämlich eher an die Wirtschaft.
T. Fiung: Soziales Netzwerk bedeutet, dass die Mitglieder einer Familie untereinander vernetzt sind. Man kann sich das wie ein Netz aus Fäden vorstellen, das von den einzelnen Personen geknüpft wird und die das Ganze zusammenhalten. Man ist dadurch miteinander in Beziehung. Die Familie lebt halt auch von dem, wie die einzelnen untereinander vernetzt sind, in Kontakt treten und ein ganz wichtiger Aspekt ist auch, dass alle füreinander Verantwortung tragen.
Dieses Netz erweitert sich, wenn ein Partner oder eine Partnerin dazukommt, oder?
Ja, natürlich. Je größer die Familie ist, desto vielfältiger wird das Netz und die Vernetzung entsprechend groß und dementsprechend kann es auch zu Verstrickungen kommen.
Wie verändert das die Familie?
Durch die Heirat kommt immer was Neues, was Fremdes in das Netzwerk. Man kann sich das vorstellen wie ein Mobile, das sich in Bewegung setzt. Bewegung ist prinzipiell gut, weil Neues entstehen kann: Es kommen neue Ideen hinzu und es ergeben sich neue Möglichkeiten. Aber es bedeutet auch, dass Altes, Vertrautes durcheinander kommt. Und jene, die da hinzukommen, stellen auch manchmal Gewohnheiten und Traditionen in Frage. Gerade im bäuerlichen Milieu, wo es sehr viel Struktur und Traditionelles gibt, kann das ganze Gefüge schon durcheinander geraten.
Was können da die Herausforderungen sein, wenn zwei oder gar mehrere Generationen gemeinsam leben und arbeiten?
Ich nenne ein Beispiel: Der Sohn, der eine Frau heiratet, sollte auch dafür sorgen, dass diese seine Frau ihren Platz in diesem Familiensystem bekommt. Die Rollen müssen auch geklärt werden. Bekommt sie in der neuen Familie nämlich keinen Platz und wird gar als Konkurrentin gesehen, kann dieser Umstand zu Spannungen und zur Krise führen. Nicht selten kann es später auch zu Trennungen kommen. Leider haben diese auch im bäuerlichen Bereich zugenommen. Eben oft auch, weil vorher zu wenig geklärt war.
Wie können sich da Jung wie Alt auf ein gemeinsames Wohnen und Arbeiten vorbereiten, sozusagen auf ein gutes Miteinander, das ja für eine Fortführung des Hofes ausschlaggebend ist?
Wenn sich der Jungbauer entscheidet den Hof zu übernehmen und auch seine Partnerin auf den Hof ziehen möchte, müssen sich beide Parteien an einen Tisch setzen und sich fragen: "Wie können wir das in Zukunft gemeinsam machen?" Wie bereits gesagt, müssen die Rollen geklärt werden, indem auch die unterschiedlichen Kompetenzen berücksichtigt werden. Wenn die ältere Generation in die zweite Reihe tritt, muss geklärt werden, welchen Teil der Arbeiten sie noch übernehmen möchte und kann. Oft wir nämlich nichts ausgemacht und nach dem Motto gehandelt: "Irgendwie werden wir das schon machen". Außerdem muss geklärt werden, wo das junge Paar wohnt. Was den Wohnraum anbelangt, habe ich gesehen, dass es mittlerweile sehr gute Lösungen gibt, weil man heute oft die Möglichkeiten hat einen ganzen Teil des Hofes für sich auszubauen. Wenn man beispielsweise 60 oder 70 Jahre zurückgeht, dann war die Situation diesbezüglich auf den Höfen noch eine ganz andere. Das junge Paar hatte nur eine Kammer, das Schlafzimmer gehabt, sonst gab es keinen privaten Bereich. Der Rest wurde mit der Großfamilie geteilt. Ich staune, wie sie das geschafft haben. Die Karten müssen sozusagen auf den Tisch kommen und mitunter neu gemischt. Eine Klärung ist die Voraussetzung für ein gutes Miteinander.
Also viel reden?
Ja, viel reden und klären. Aber das Reden ist ja nicht immer so einfach. Vor allem, wenn man es nicht gewohnt ist. Was dann? Dann ist das natürlich überhaupt keine Schande. Wenn das Reden nicht möglich ist, dann kann und soll man sich begleiten lassen. Allerdings nur, wenn die Bereitschaft auch da ist zu reden. Sie haben die Lebensberaterinnen in der der Aus-und Weiterbildung kennengelernt.
Können diese eine Hilfe sein und was können sie leisten?
Ja, natürlich. Sie können auf alle Fälle Gespräche begleiten, um Konflikte vorzubeugen oder einfach helfen miteinander ins Gespräch zu kommen. Sie können das Gespräch sozusagen moderieren. Die Lebensberaterin kann dafür sorgen, dass das Gespräch fair und respektvoll geführt wird, dass jeder seinen Platz bekommt. Sie kann dafür sorgen, dass die Regeln des Gesprächs eingehalten werden, sei es beim Zuhören, sei es beim Sprechen.
Abschließende Frage: Was sollten sowohl Jung als auch Alt beherzigen, wenn sie den Schritt in die Gemeinsamkeit tun?
Ich denke, sie sollten einfach spüren, dass sie einander brauchen und den Wert eines gemeinsamen Miteinanders schätzen. Jetzt komme ich noch einmal auf das Netzwerk zurück. Die Alten brauchen die Jungen und umgekehrt. Sie können voneinander sehr profitieren, wenn sie bereit sind, sich gegenseitig wertzuschätzen und sich wohlwollend zu begegnen. Die Eltern sollen sich einfach bewusst sein, dass sie viel geleistet und viel gegeben haben und jetzt können sie den Kindern vertrauen, dass sie den Hof gut weiterführen, auch, wenn sie vielleicht vieles anders machen. Die Jungen brauchen das Vertrauen, denn sie führen den Hof in die Zukunft. Die Jungen ihrerseits sollen den Alten dankbar sein und sie für das Geleistete wertschätzen. In dieser Haltung der Wertschätzung und des Vertrauens kann man gut weitermachen und auch den Hof in eine gute Zukunft führen.
Info: Toni Fiung, Diözesaner Familienseelsorger und Leiter des Ehe- und Familienreferates; Ausbildung zum Ehe-, Familien- und Lebensberater; Autor des Buches "Weil i di mog" (Athesia Tappeiner Verlag); Kontakt: 0471 306272 oder toni@fiung.it