Genauso wie andere Fach-und Beratungsstellen ist die Lebensberatung zur Zeit aus aktuellem Anlass nicht aktiv.
Die Lebensberater/innen dürfen keine Beratungen mehr durchführen. Man kann sich aber weiterhin telefonisch oder per Email an die Koordinationsstelle wenden. Die persönlichen Gespräche finden dann zu einem späteren Zeitpunkt statt.
Die Cusanus Akademie hat uns freundlicherweise ein Interview mit Sabine Cagol, der Präsidentin der Psychologenkammer Bozen, zur Verfügung gestellt.
Viele Menschen sind verunsichert: Zu der Sorge rund um das Corona-Virus kommen Ängste, die unter anderem durch die allgemeine Anspannung entstehen. Aus notwendigen Gründen reden alle von der Hygiene, vor allem von der Handhygiene. Niemand aber spricht von der Psychohygiene. Lesen Sie, was Frau Cagol dazu zu sagen hat. Was ist Psychohygiene?
Sabine Cagol: Ich kann mir vorstellen, dass viele zwar den Begriff gehört haben, aber nicht wissen, was damit gemeint ist. Und noch viel weniger Menschen wissen, was zu tun ist, um auf die eigene Psyche zu achten. Unter Psychohygiene versteht man alles, was wir entweder zur Erhaltung oder zum Erlangen von psychischer Gesundheit tun können: Sie hilft beim Schutz vor Schwierigkeiten oder bei bereits vorliegenden Problemen. Sie ist ein Aufräumen der Seele, um Stress, negative Emotionen, Angst, Sorgen und Zweifel loszulassen, die ansonsten zu einer starken Belastung werden können.
Gibt es analog zum hygienischen Maßnahmenkatalog auch psychohygienische Anregungen?
Sabine Cagol: Lassen Sie mich einige Punkte aufzählen. Sie können gerne alle befolgen, aber wenn Sie sich nur einen merken und anwenden, ist schon viel getan.
1. Entspannungsübungen. Entspannungsübungen sind ein guter erster Schritt. Wir wissen, wer entspannt ist, sieht Dinge klarer. Stress und negative Emotionen werden besser verarbeitet, wenn wir zur Ruhe kommen.
2. Schreiben Sie Ihre Sorgen auf. Schreiben Sie sich Ihre Sorgen von der Seele. Es hilft, unsere Gedanken zu verschriftlichen, da wir so in der Lage sind, uns etwas davon zu distanzieren.
3. Akzeptieren Sie sich selbst! Das ist sicherlich kein einfacher Schritt, doch wenn es Ihnen gelingt, sich selbst anzunehmen, mit all den Stärken und guten Seiten, aber eben auch Schwächen und Fehlern, tun Sie Ihrer seelischen Gesundheit sehr gut. Es wird leichter, die Erwartungen an sich selbst zu senken und dann zu akzeptieren, dass es völlig in Ordnung ist, nicht perfekt zu sein oder auch an manchen Dingen zu scheitern.
4. Ziehen Sie sich aus dem Stress zurück. Sich eine Zeit aus dem Alltagstress zurückzuziehen, tut unserer Psyche gut. Genau das tun wir normalerweise im Urlaub. In dieser speziellen Situation rate ich dringend dazu, sich vor den dauernd auf uns einprasselnden neuen Ereignissen und Nachrichten zu schützen. Information ist wichtig, aber Vorsicht: Suchen Sie nicht exzessiv nach Informationen, sondern nutzen Sie nur wenige Male am Tag vertrauenswürdige Quellen.
5. Unterbrechen Sie das Gedankenkarussell. Sich ständig den eigenen negativen Gedanken zu widmen, kann sehr schädlich sein. Versuchen Sie deshalb, aus dem Gedankenkarussell auszubrechen und das Grübeln zu stoppen. Am besten gelingt das, indem Sie sich ablenken und etwas unternehmen, das Sie auf andere Gedanken bringt. Auch in der momentanen Situation kann man etwas unternehmen: lesen, telefonieren, malen, Fotos bearbeiten, mit den Angehörigen spielen.
6. Pflegen Sie soziale Kontakte. Finden Sie andere Lösungen, solange persönliche Kontakte nicht möglich sind. Kontakt aufnehmen kann man auf verschiedenen Wegen: telefonieren, Mails schreiben, Briefe schreiben, skypen. Der Kontakt zu uns lieben Menschen ist ein wichtiger Faktor, der unsere Psychohygiene verbessern kann. Noch hilfreicher wird es, wenn Sie mit den Menschen, denen Sie vertrauen, über Ihre Sorgen und Gefühle reden. Auf diesem Weg können Sie sich die Last von der Seele reden und erhalten Unterstützung.
7. Tun Sie Dinge, die Sie gern tun und die Ihnen gut tun. Gehen sie Aktivitäten nach, von denen Sie wissen, dass sie Ihnen gut tun. Lesen, Gartenarbeit, Bewegung (im Moment in den eigenen vier Wänden), ein Bad nehmen, gut essen und noch viel mehr. Sie wissen am besten, was Ihnen Freude macht.
8. Folgen Sie Ihrer Kreativität. Nutzen Sie diese besondere Zeit, in der wir daheim bleiben sollen und die gewohnte Arbeitstätigkeit für viele nicht möglich oder eingeschränkt ist. Nicht jede/r ist ein/e talentierte/r Maler/in oder Musiker/in, doch es tut der Psychohygiene gut, sich kreativ zu betätigen. Auf diese Weise können Emotionen ausgedrückt und verarbeitet werden, die man nur schwer in Worte fassen kann oder die sonst verdrängt werden.
Diese Anregungen können uns helfen die aktuelle Situation auch psychisch gut zu überstehen. Um anhaltende Psychohygiene zu betreiben, sollten Menschen lernen, mit jeder Situation umgehen zu können und negative Emotionen nicht zu verdrängen, sondern zu verarbeiten und so zu bewältigen. Ein Vorgang, der nicht immer leicht ist, da man sich ganz bewusst mit der eigenen Stimmung auseinandersetzen muss und immer wieder hinterfragt, welche Ursachen hinter negativen Gefühlen stehen.
Zum Abschluss: Was ist wichtig, nicht aus dem Auge zu verlieren?
Sabine Cagol: Wichtig ist, sich zu vergegenwärtigen: Corona ist ein kollektives und kein persönliches Phänomen UND es ist zeitlich begrenzt. Wir sind nicht hilflos, vielmehr kann jede/r einzelne aktiv seinen/ihren Beitrag leisten, damit die Situation unter Kontrolle bleibt.
Interview: Christine Wagner, pädagogische Mitarbeiterin bei der Cusanuns-Akademie Brixen
https://www.cusanus.bz.it/de/information/index.asp