Dienstag, 16 Mai 2023

Mit Begeisterung voraus

Beim „Kiahgros“ mahnen af die Trotn: Mit diesem Bild von Georg mit seinem Sohn Philipp vom Kernhof in Pens zeigt die Südtiroler Bäuerinnenorganisation, welch wertvolle Vorbildfunktion die Väter haben.

Von Ulrike Tonner

„Ich musste auf Philipp aufpassen, weil Renate zur Arbeit ging. Mir war klar: Wenn ich Philipp zum Kiahgros mähen mitnehme, dann braucht er etwas zum Tun. Ich zimmerte ihm eine kleine Sense und gemeinsam haben wir die Arbeit erledigt!“, so beschreibt Georg die Situation auf dem Bild, das im Rahmen der Sensibilisierungsaktion MutterNacht als Gewinnerbild ausgewählt wurde (Info siehe im Anschluss). „Wir bauen Kartoffeln an und der Hafer geht für die Fruchtfolge ganz gut, dieser wird dann gemäht und an die Kühe verfüttert, eben Kiahgros holt“, erklärt der 32jährige. Und ich sehe die Begeisterung in seinen Augen, während er mir im Gespräch erzählt, welch Freude Philipp mit der kleinen Sense hat.

Georg ist gelernter Tischler und Zimmerer. Vor fünf Jahren hat er den Kernhof in Pens von seinem Onkel Stanislaus Mair übernommen und ist seitdem noch zusätzlich Bauer. Eigentlich ist er heute Bauer und geht nebenher übers Bergesetz noch seiner alten Arbeit nach. Er bewirtschaftet den 50 ha großen Hof, davon ca. 12 h Wiesen. Im Stall stehen 40 Stück Grauvieh, 23 Kühe. Und dann noch ein paar Schafe für die Kinder und zwei Schweine für den Eigengebrauch. Georg hat schon von klein an auf dem Hof mitgearbeitet, vor allem mit dem Vieh hatte er immer schon eine große Freude. Und diese möchte er seinen Kindern vorleben. „Die Magdalena mag lieber die Maschinen“, sagt Philipp. Für ihn wäre es auch kein Thema, den Hof einmal an sie weiterzugeben. Die Freude mit dem Vieh muss halt da sein, sonst wird einem die Arbeit zu viel.

Renate, seine Frau, sieht es ähnlich. Für sie ist es wichtig, alles gemeinsam zu machen, dann geht alles leichter. Wenn’s sein muss, dann nimmt auch sie die Sense, warum nicht? Sie ist Sozialarbeiterin im Altersheim in Sarntal, zurzeit ist sie zu Hause in Mutterschaft bei der einjährigen Tochter Magdalena. Für sie steht fest: Sie möchte in Zukunft zurück zu ihrer Arbeit. Gemeinsam schaffen sie es auch, alles unter einem Hut zu kriegen, die Arbeit am Hof, die Arbeit außerhalb und die Familie – mit Hilfe der Großfamilie. Im Nebenhaus wohnen die Eltern von Georg, seine Mutter Elisabeth hilft, wann immer sie gebraucht wird. Das ist klar, ohne ihre Unterstützung geht es nicht. Als Renate nach gut einem Jahr Mutterschaft bei Philipp wieder ihrer Arbeit nachging, musste Georg die klassisch gesellschaftlich geprägte Mutterrolle übernehmen. Das schaffte er, weil ihm sein Onkel und seine Mutter in der Früh bei der Arbeit im Stall halfen. So konnte Georg nach 7 Uhr vom Stall ins Haus und sich um Philipp kümmern. Das Windeln wechseln ist für Georg kein Problem, auch das Kochen nicht. „Das Stritzl machen habe ich von meiner Oma gelernt“, erzählt Georg mit Stolz. Bei ihm zu Hause war es der Vater, der oft kochte und den Haushalt machte, weil seine Mutter lieber bei der Arbeit auf dem Feld half. Bei Renate war es umgekehrt: Da gab es das traditionelle Rollenbild – die Mutter war immer zu Hause und war für Küche, Garten, Erziehung usw. zuständig, der Vater für die Arbeit im Stall und Feld, für die Männerarbeit halt. Im Gespräch wird klar: Die Kinder übernehmen vieles von ihren Eltern, die Vorbildfunktion ist schon wichtig, um den Kindern die Richtung vorzugeben, zumindest vorzuleben. Die Chance, dass sie dann das eine oder andere in ihrem Leben nachmachen, ist dann größer. Georg möchte seinen Kindern zeigen, was man aus Holz alles machen kann, wie man aus Steinen eine Mauer baut, wie man mit den Kühen im Stall umgeht … „Logisch, es braucht Zeit, man muss es in ihrem Tempo machen, und da braucht es Geduld, doch so kann ich sie begeistern!“ Und das sieht man auch im Stall: Voller Begeisterung füttert Philipp mit seiner kleinen Heugabel die Kühe. Dieses Tun lassen, dasselbe machen wie der „Tatte“, ist einfach bärig.

Für Georg ist wichtig, dass die Kinder mit dabei sind: beim Vieh „auslossn“, beim Melken, beim Maurern: „Wenn ich eine Mauer aufstelle, dann gebe ich Philipp einen Hammer und ein paar Steine und er mauert mit mir den ganzen Tag.“ Georg hat sich bis jetzt keine Gedanken über Rollenbilder gemacht. Die Arbeit muss erledigt werden, und zwar so, dass es auch für Renate gut geht. Und da ist es für ihn selbstverständlich, dass auch er kocht, dass auch er auf die Kinder schaut, dass auch er sich die Zeit für sie nimmt. „Onkel Stanislaus hat sich für mich immer viel Zeit genommen, Zeit hat bei ihm keine Rolle gespielt, und so habe ich viel gelernt,“ sagt Georg. Das probiert er heute bei seinen Kindern auch. Das ist nicht immer einfach, denn die Zeit ist knapp. Am Abend übernimmt er oft das Kochen, das ist für Renate sehr entspannend. Georg macht auch Pizza und Brot. Putzen könnte er mehr, sagt Renate. „Ja, das tue ich nicht gern, kehren schon und den Traktor putze ich auch, aber sonst putze ich selten,“ gibt Georg zu. Nach längerer Diskussion, ob hier die Väter auch eine Vorbildfunktion haben sollten, damit in Zukunft nicht nur die Frauen putzen, ist man sich einig, dass das wohl der richtige Weg sein sollte.

Gewiss: Auf einem Hof ist vieles machbar, man kann die Kinder bei viele Arbeiten mitnehmen, oft müssen sie einfach mit, weil es nicht anders geht. Georg und Renate habe nie konkret über Rollenaufteilung gesprochen oder sie ausgehandelt. Es hat sich einfach so entwickelt, sie mussten schauen, wie es geht. Georg möchte gerne ein gutes Vorbild sein, ob er das auch ist, das weiß er nicht, bestimmt nicht immer, sagt er. Was er weiß ist, was er seinen Kindern mitgeben möchte: Bodenständigkeit, Heimat schätzen, die Arbeit sehen, das Selbermachen, nicht lange kompliziert sein.

Für Renate ist die gleichberechtige Arbeitsaufteilung schon wichtig. Sie hat sich am Hof gut eingelebt, sie machen viel gemeinsam, entscheiden viel gemeinsam. Sie haben das Haus neu aufgebaut, nach ihren Vorstellungen. Dazu zu sagen ist, dass Georg ganz viel selber macht: die Maurerarbeiten gemeinsam mit seinem Bruder, die Holzarbeiten sowieso, zurzeit baut er an einem Pizzaofen … und da gibt es von viel zu tun. Renate hat die Freude mit den Ackergemüse entdeckt. Gemeinsam mit ihren Schwägerinnen und ihrer Schwiegermutter wird Gemüse angebaut, der Hof ist für die Familie ein Treffpunkt, wo sie sich gegenseitig aushelfen. Schön ist auch zu hören, was Renate empfindet, wenn sie das Bild von Georg und Philipp anschaut: „Georg braucht nicht zurückzuschauen, Philipp geht ihm nach, sie erledigen gemeinsam die Arbeit, und es macht Freude und zwar beiden. Das Bild vermittelt Sommer und Freiheit – ganz schön – Freude am Leben!“

„Ja, Kinder haben ist in Abenteuer,“ bejaht Georg meine Frage. „Ganz anders als man es sich vorstellt, sie sind immer da, das ist schon ‚brutal‘, die Freizeit ist weg. Es ist aber eine Erfüllung, eine richtig schönes Erlebnis, das ich nicht mehr missen möchte!“, sagt Georg. Zum Schluss des Gespräches spreche ich noch einmal die Rollenbilder an, ob sich in Zukunft vielleicht doch am Rollenbild der Väter etwas ändern muss, damit Männer auch Vorbilder sein können. Und Georg sagt dann etwas ganz Wesentliches: „Es ist schon wichtig, dass die Männer auf den Höfen in Zukunft mehr für die Familie tun und mehr Haus- und Erziehungsarbeiten übernehmen, damit es auf den Höfen weitergeht. Sie sollten sich Zeit für ihre Kinder nehmen und nicht nur der Arbeit nachgehen.“

INFO: Vorbilder statt Rollenbilder – Väter brechen auf: So heißt die heurige Sensibilisierungsaktion im Rahmen der Mutternacht. Zum neunten Mal organisiert das Rittner Bildungszentrum „Haus der Familie“ heuer in Zusammenarbeit mit 26 Südtiroler Organisationen die Sensibilisierungskampagne, bei der jährlich herausfordernde Themen rund um das Elternsein beleuchtet werden. Auch die Südtiroler Bäuerinnenorganisation ist mit dabei und spricht dieses wichtige Thema an, ohne klischeehaft zu werden, ohne Gegenwind zu produzieren, möchte einfach anregen, darüber zu reden, wie Erziehungs- und Carearbeit auf den Höfen heute gelebt werden kann, damit Familie möglich ist. Im Rahmen einer Fotoaktion wurden gar einige Bilder von Vätern mit ihren Kindern eingesandt, die zeigen, dass sich die Väter Zeit für ihre Kinder nehmen und Vorbild sind. Das Bild von Georg Schwitzer mit seinem Sohn Philipp wurde als Siegerbild ausgewählt. Die Südtiroler Bäuerinnenorganisation möchte sich bei allen bedanken, die mitgemacht haben. Dies zeigt, dass es Vätern wichtig ist, ein Statement zu setzen. Vergelt’s Gott.

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