Mittwoch, 27 Juli 2016

I mecht Spurn zrugglossn

Michaela Rott Brunner – Bäuerin des Jahres 2016 – lebt ihren Traum auf dem Johannserhof: obwohl die Arbeitstage lang sind und die Wochen oft 7 Arbeitstage haben. Sie wünscht sich, dass Familie und Bescheidenheit wieder mehr in den Mittelpunkt rücken, anstatt Normen und Auflagen.

Warum sind Sie Bäuerin?

Bäuerin bin ich, weil ich einen Bauern geheiratet habe. Damals, 2001 war er noch "angehender Bauer", heute ist er "Johannserbauer" mit Leib und Seele. Den wunderschönen Hof, den wir erben durften, zu bearbeiten, ist zu unserem gemeinsamen Lebenswerk geworden.

Was verstehen Sie unter „freiem Bauerntum“?

"Freies Bauerntum" ist nicht wirklich ein Begriff für mich. Nicht nur wir Bauern, die ganze Gesellschaft unterliegt gewissen Zwängen, Normen, Gesetzen und Regeln. Wir Bauern können frei entscheiden, wie spät wir unsere Arbeit beginnen oder beenden. Wann wir uns frei nehmen und in welcher Art und Weise wir die Arbeit bewältigen. Die Produkte müssen aber pünktlich bei der Sammelstelle oder der Genossenschaft angeliefert werden und den Qualitätskriterien entsprechen, noch dazu unterliegen wir den Gesetzen der Natur. Das hat zur Folge, dass unsere Arbeitstage lang sind und die Wochen oft 7 Arbeitstage haben. Ein sogenannter "freier Arbeitstag" eines Bergbauern beispielsweise beginnt nach der morgendlichen Stallarbeit und endet mit der abendlichen Stallarbeit. Es gibt Arbeitsspitzen und Ruhephasen. Beim Bauern ist es wie beim selbständigen Unternehmer, ist er nicht fleißig und mit Biss dabei, leidet der Erfolg.

Wovon träumten Sie mit 18 Jahren?

Als ich 18 war, starb mein Vater, ganz plötzlich nach einem Arbeitsunfall. Das war eine schwierige, orientierungslose Zeit für mich. Weil ich gerade die 4. Klasse der Oberschule für Landwirtschaft besuchte, wollte ich eigentlich nur die Schule beenden und mir eine Arbeit suchen, um Geld zu verdienen. Nach der Matura begann ich meine Karriere mit Äpfelklauben und Salaternten. Die Landwirtschaft hat mich schon immer interessiert.

Ist dieser Traum in Erfüllung gegangen?

Mit 21 hab ich dann Ewald kennengelernt. Einige Zeit später hat er mir seinen Hof gezeigt und von dem Augenblick an träumte ich wirklich davon, Bäuerin am Johannserhof zu werden. Und wie man sieht .... manche Träume gehen in Erfüllung!

Ich bin mir nicht zu schade, um….

diese, für mich schwierigen Fragen noch bis Mitternacht - nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten, liebe Bäuerinnenorganisation, liebe Ulrike!

Was ärgert Sie (am meisten)?

Irgendwie ärgert es mich, dass man für gewisse Arbeiten in der Landwirtschaft und in der Gastronomie kaum einheimische Kräfte findet.

Welcher war der schönste Tag Ihres Lebens?

Es gab viele schöne Tage in meinem Leben! Heute zum Beispiel war auch so ein schöner Tag!

Was war der größte Fehler, den Sie in Ihrem Leben gemacht haben?

Ich habe viele kleine, große und noch größere Fehler in meinem Leben gemacht. Das Schlimmste daran ist, dass ich auch weiterhin Fehler machen werde. Leider ... Hätte ich einen Wunsch frei… dann möchte ich, dass es kein Leid gäbe, dass wir alle glücklich und zufrieden sind.

Verraten Sie uns Ihr Lebensmotto?

"I mecht amol so sein wia er - der Bauer, mein Tata: bescheiden und zufrieden. I mecht amol, wia er, tiafe Spurn zrugglossn in meiner kloanen Welt." Weil: "Wie des Lond isch sein Gsicht, wia sein Gsicht isch sein Lond!"

Wie sollte die Bäuerin der Zukunft ausschauen?

Es gibt kein einheitliches Bild der Bäuerin der Zukunft. Wahrscheinlich wird das Berufsbild der Bäuerin noch differenzierter und vielseitiger. Ich würde mir nur wünschen, dass es sich nicht weiter verkompliziert mit Normen und Auflagen, und dass Familie und Bescheidenheit wieder mehr in den Mittelpunkt rücken.

Lebens(t)raum Bäuerin? Was fällt Ihnen dazu ein?

Die Arbeit zuhause zu haben ist ein großes Glück für eine Mutter, aber gleichzeitig Herausforderung. Kinder, die auf einem Hof aufwachsen dürfen, leben im Paradies. Seit mein Mann nicht mehr arbeiten geht, sondern Vollerwerbslandwirt ist, ist Bäuerin sein ein wahrgewordener Lebenstraum für mich.

Was möchten Sie den Bäuerinnen als „Bäuerin des Jahres 2016“ auf den Weg geben?

Bei all der Arbeit, die ansteht, sollten wir Bäuerinnen uns selber nicht vergessen. Nur wenn es uns selber gut geht, geht es unserer Partnerschaft und unseren Familien gut, und nur dann geht es auch unseren Höfen gut. Sie sind seit einem halben Jahr „Bäuerin des Jahres 2016“.

Wie denken Sie jetzt über die Auszeichnung?

Ich glaub immer noch, dass der Titel "Bäuerin des Jahres 2016" ein Auftrag für mich ist, mit meiner Geschichte, mit meinem Leben, den Wert des Berufes "Bäuerin" aufzuzeigen. Die Auszeichnung bringt mich in Verlegenheit. Als "Bäuerin des Jahres 2016" mach ich immer noch Fehler, bin ich immer noch keine perfekte Bäuerin! Wenn sich nach einer anstrengenden Zeit mein innerer Schweinehund bei mir meldet, um mir zu verkünden, er wolle heute mal lieber nix tun als arbeiten, mein Mann aber immer noch von Energie strotzt, dann muss ich ihn rügen, den Schweinehund, nicht meinen Mann: „Und du bist ..... Bäuerin des Jahres????!!!!" Durch die Auszeichnung habe ich - ganz unerwartet - viele Menschen neu erlebt, und ich durfte sehr viel Wertschätzung erfahren. Neue Freundschaften sind entstanden und haben sich entwickelt.

Welche Hoffnung setzten Sie in die Landespolitik, in die bäuerlichen Landtagsabgeordneten?

Die Landwirtschaft charakterisiert unser Land. Ich glaube, sie hat sich in Südtirol im Vergleich zu anderen Ländern recht gut gehalten. Erst recht, wenn man bedenkt, wie kleinstrukturiert unsere Betriebe sind. Viele Bauern gehen zur Arbeit und bearbeiten den Landwirtschaftsbetrieb in ihrer Freizeit. Vollerwerbsbauern müssen oft hart rechnen, um vom Betrieb leben zu können. Die Landwirtschaft steht wieder einmal vor einem Umbruch; die Preise unserer Produkte scheinen weiter zu fallen. Die Politik, aber auch die Konsumenten müssen darauf achten, dass sich die Preise auf einem guten Niveau stabilisieren, damit unsere Bauern davon leben können. Ansonsten verliert Südtirol sehr schnell an Attraktivität und es fehlt an Arbeitsplätzen.

Welche Hoffnung setzen Sie in die Familienpolitik?

Die Familie ist der Grundstein unserer Gesellschaft. Kinder, Jugendliche, Eltern, Großeltern. Ich wünsche mir Rahmenbedingungen, die es erlauben, dass, Mütter (oder Väter) genügend Zeit für ihre Kinder haben, dass Großeltern - auch - zuhause gepflegt werden können, dass Enkelkinder Zeit mit ihren Großeltern verbringen können und umgekehrt. Eigentlich wünsche ich mir eine Entschleunigung dieser hektischen, termingeplagten Gesellschaft. Erziehungs- und Pflegearbeiten verdienen Wertschätzung und Anerkennung. Ich finde es immer wieder schade, wenn kleine Kinder allzu früh in fremde Hände gegeben werden müssen. In Sachen Familienpolitik kenn ich mich nicht wirklich aus, ich kenn sozusagen nur unsere Situation. Welche Probleme unterschiedlich konstituierte Familien, beispielsweise alleinerziehende Eltern haben, weiß ich nicht. Ich denke aber, wir haben eine gute Ausgangslage: Wir haben einen Landeshauptmann, der selbst Vater einer kinderreichen Familie ist, der selber sagt, seine Frau sei seine beste Beraterin.

Was wünschen Sie sich für die Südtiroler Bäuerinnenorganisation?

Der Südtiroler Bäuerinnenorganisation wünsche ich weiterhin viele Mitglieder und Funktionärinnen mit Ideen, Tatendrang, Kampfgeist und Erfolg! Die Bäuerinnenorganisation hat schon so viel erreicht, und ich wünsche ihr, dass sie sich weiterhin dem Geist der Zeit anpassen und tolle Projekte verwirklichen kann.

Was wünschen Sie sich für ihre Familie?

Für meine Familie wünsche ich mir Gesundheit und Zusammenhalt, und dass wir noch viele schöne Jahre gemeinsam verbringen dürfen.

Und was für Ihren Hof?

Lieber Gott! Schütze uns vor schweren Unwettern oder Feuer.

 

Interview: Ulrike Tonner

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