Soziale Absicherung für Frauen, die Mehrbelastung der Bäuerin und das Debakel bei der Landtagswahlsind Themen, die Antonia Egger (nicht nur) im vergangenen Jahr Kopfzerbrechen bereitet haben.Die Landesbäuerin blickt aber auch auf Erfolge zurück. Und mit Zuversicht in die Zukunft.
Interview: ulrike tonner
Antonia Egger vertritt 17.000 Bäuerinnen im Land: Die Landesbäuerin spürt die Kraft, die diese Gemeinschaft ihr gibt. Der Landesbauernrat ist teilweise neu, auch eine neue Landesregierung sitzt im Sattel – samt einem neuen Landesrat für Landwirtschaft. Was sich die Landesbäuerin von diesen Gremien erwartet, erzählt sie im Interview mit dem „Südtiroler Landwirt“. Und sie weiß, 17.000 Bäuerinnen zu vertreten, ist zwar eine große Verantwortung, gibt aber auch Kraft.
Südtiroler Landwirt: Frau Egger, welches war Ihr wichtigstes Projekt im Jahr 2023?
Antonia Egger: Die Veröffentlichung des Buches „Die bäuerlichen Kapellen in Südtirol“ war für mich ein Höhepunkt. Durch das Buchprojekt haben viele Bäuerinnen und Bauern die Freude an ihren Kapellen entdeckt. Das mitzuerleben, war schön. Mich freut auch, dass durch das Projekt die finanzielle Unterstützung auf die Renovierung von Kapellen, die nicht unter Denkmalschutz sind, ausgeweitet wurde. Ein wichtiges Thema für mich war und ist die soziale Absicherung der Bäuerinnen. Wir haben immer wieder die Wichtigkeit einer guten Altersabsicherung angesprochen und gefordert. Auch die Anerkennung von Erziehungs- und Pflegearbeit gehört dazu.
Diese Forderung gibt es schon seit 20 Jahren … man hat das Gefühl, da tut sich nichts.
Ja, das stimmt leider. Frauen sind in vielen Sparten benachteiligt. Wir, der Beirat für Chancengleichheit und die Frauenorganisationen, haben gemeinsam den Gleichstellungsaktionsplan formuliert. Er beinhaltet vieles, was umgesetzt werden müsste, um die Gleichstellung von Mann und Frau voranzutreiben. Doch ich fürchte, dass der Plan nur auf dem Papier steht. Dennoch müssen wir immer wieder darauf hinweisen. Wir müssen mehr Einfluss auf die Politik nehmen, der Gleichstellungsplan muss in der Gesetzgebung berücksichtigt werden – nur so wird Gleichstellung möglich.
Ist das Frauennetzwerk im Vergleich zu früher stärker geworden?
Das Netzwerk muss noch stärker und größer werden und dadurch mehr Gewicht erhalten. Es ist frustrierend festzustellen, dass nichts weitergeht: bei den Renten, bei den Gehältern, bei der Care-Arbeit. Es gibt so viele große Baustellen. Schöne Worte tun zwar gut, aber davon leben können wir nicht. Es ist gut, dass wir Frauen auf den Höfen mitarbeiten. Wir wollen aber auch mitentscheiden, mitverantworten und mitbauen.
Wie möchten Sie als Landesbäuerin diese Entwicklung unterstützen?
Jede Einzelne muss ihren Beitrag leisten. Unsere Aufgabe als Bäuerinnenorganisation ist es, weiterhin das Selbstbewusstsein der Bäuerinnen zu stärken, sie zu sensibilisieren, aufzuklären und ihnen aufzuzeigen, wie wichtig eine gute soziale Absicherung ist. Deshalb haben wir auch die Broschüre „Die Bäuerin am Hof – Ich weiß Bescheid“ überarbeitet und werden immer wieder informieren und die Bäuerinnen mobilisieren, sich mit den rechtlichen Themen auseinanderzusetzen.
Was meinen Sie konkret?
Zum Beispiel das Finanzielle: Da muss ich als Bäuerin einfach Bescheid wissen. Oft ist der Hof verschuldet und die Frauen wissen es nicht. Investitionen müssen gemeinsam überlegt werden. Es ist auch wichtig, dass die Frauen ein Auge auf Verträge oder Versicherungen werfen. Männer sind diesbezüglich oft nachlässig, das kann fatale Folgen haben.
Was hat Ihnen Kopfzerbrechen bereitet im Jahr 2023?
Ganz klar: die Wahlen. Die Tatsache, dass die Bäuerinnen nicht verstanden haben, wie wichtig es ist, unsere Bäuerinnenkandidatin zu wählen, hat mich sehr enttäuscht. Man muss nicht mit allen Entscheidungen einverstanden sein, aber man sollte imstande sein, politische Arbeit wertzuschätzen und sachliche von populistischer Politik zu unterscheiden. Wir leben in einer Demokratie, das sollte politische Kultur voraussetzen. Es sollte selbstverständlich sein, dass Frauen und Männer die gleichen Chancen haben und vor allem mit gleichem Maß gemessen werden, auch in der Politik.
Das traditionelle Bäuerinnenbild hat sich gewandelt. Es gibt wenige Vollerwerbsbäuerinnen, die Frauen auf den Höfen sind ganz unterschiedlich …
Stimmt, wir werden vielfältiger und bunter. Es ist schön zu sehen, dass Frauen ihre Ideen umsetzen. Ich sehe oft Bäuerinnen, die ihre eigenen Wege gehen, ihren Beruf, die Familie und eine Tätigkeit am Hof vereinen. Solche Frauen bringen einen Mehrwert auf den Hof, die Kinder kriegen einen anderen Weitblick – das tut dem Hof gut. Auch wenn der Hof manchmal belastend ist, er ermöglicht auch Spiel- und Freiräume, die die Frauen zu nutzen verstehen.
Sie spüren also Aufwind bei den Bäuerinnen?
Ich erlebe viel Positives und das macht mich zuversichtlich. Natürlich schauen die Bäuerinnen auch der Realität ins Auge, das Finanzielle ist oft eine große Herausforderung. Aber ich glaube, das ist in allen Berufssparten so. Ein Bauernhof ist ein Betrieb, da muss immer wieder investiert werden. Wenn du nichts investierst, geht es rückwärts.
Mit welchen Anliegen kommen die Bäuerinnen zu Ihnen, welche Sorgen drücken sie?
Die Rente, das geringe Einkommen, die hohe Belastung. Sie arbeiten auswärts, haben Kind und Familie zu versorgen, kümmern sich um den Hof. Da ist kaum noch Zeit fürs Ehrenamt. Trotzdem sind sie zufrieden und ich stelle mit Freude fest: Sie sind nicht verbittert, sondern strahlen Zuversicht aus.
Welche Ziele haben Sie für 2024?
Jetzt, nach den Wahlen, müssen wir die Frauenthemen bei den politischen Stellen deponieren.
Sie vertreten als Landesbäuerin 17.000 Mitglieder. Werden diese 17.000 Frauen gehört?
Ich glaub schon, dass ich mir Gehör verschaffen kann. Es ist meinen Gesprächspartnern oft nicht bewusst, dass so viele Frauen hinter mir stehen. Ich sage es dann, um den Forderungen mehr Gewicht zu geben. Ich trete nicht als „Tona“ auf, sondern als Landesbäuerin und vertrete die Bäuerinnen im Land. Ich kriege Gehör, weil die Bäuerinnenorganisation all die Jahre an Ansehen aufgebaut hat. Jede einzelne Bäuerin trägt dazu bei, dieses Ansehen zu stärken.
Was fordern Sie von der Politik?
Bäuerinnen und Bauern brauchen keine Lippenbekenntnisse, sondern echte Wertschätzung, auch finanzielle: Da denke ich an die Gastronomie, die unsere Produkte in der Küche verwenden sollte, oder die öffentlichen Mensen. Auch die Kulturlandschaft möchte ich in diesem Zusammenhang erwähnen. Bäuerinnen und Bauern erhalten sie Tag für Tag. Die Tourismusabgabe wäre eine Möglichkeit, das wertzuschätzen. Ein anderes Thema ist der bürokratische Aufwand, dabei denke ich z. B. an das Saatgutgesetz. Es kann nicht sein, dass es so kompliziert ist, lokales Saatgut weiterzugeben. Eines sind die großen Konzerne, die kontrolliert werden müssen, aber Bäuerinnen und Bauern sollten ihr Saatgut vermehren und auch im kleinen Stil tauschen und verkaufen können, ohne Bürokratie, so wie sie es immer gemacht haben.
Interessieren sich die jungen Frauen für die Themen der Bäuerinnenorganisation?
Ja, doch. Ich sehe die Begeisterung der jungen Frauen für die Themen der Bäuerinnenorganisation. Wir müssen sie ansprechen und mitnehmen. Denn es freut sie, wenn sie gesehen werden. Die eine oder andere bringt sich dann auch aktiv ein.
Was wünschen Sie sich vom neuen Bauernbund- Landesobmann?
Ich wünsche mir vom neuen Landesobmann und vom neuen Landesbauernrat, dass die Frauen noch mehr Gewicht und Wertigkeit in allen Gremien kriegen.
Was erwarten Sie sich vom neuen Landesrat für Landwirtschaft?
Ich glaube, für den neuen Landesrat ist es eine große Herausforderung, sich in die Berglandwirtschaft einzuarbeiten, denn gerade die Berglandwirtschaft steht vor großen Herausforderungen und Schwierigkeiten. Für jemanden, der im Tal aufgewachsen ist, ist das schwer zu begreifen. Deshalb muss er sich gut einarbeiten, das erwarte ich mir von ihm.
Nachhaltig wirtschaften – ein Thema für Sie?
Wir wirtschaften nachhaltig, sonst würden wir nicht die Höfe von Generation zu Generation weitergeben. Die soziale, ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit muss passen, nur dann sind wir imstande, die Höfe für die nächsten Generationen weiterzubringen. Ich wünsche mir auch, dass die Hofweitergabe innerhalb der Familie gut überlegt wird. Die Hofbesitzer sollten sich das rechtzeitig überlegen. Es gibt immer einen Weg innerhalb der Familie, wenn man ihn sucht und zulässt. Das Letzte muss der Verkauf sein.
Kurz noch zur Lebensberatung der bäuerlichen Familie. Wo drückt der Schuh?
Bei der Lebensberatung sieht man vor allem, dass die Konflikte zwischen den Generationen und in der Partnerschaft manchmal groß sind. Am Hof lebt man eng beieinander, das ist nicht einfach. Darum ist es wichtig, sich Zeit für die Partnerschaft zu nehmen, das Gespräch zu suchen. Auch mal zu hinterfragen und die Sorgen anzusprechen. Wenn nötig, sollte man den Mut haben, jemand von außen zu holen. Das zahlt sich aus, um den Lebensraum Bauernhof lebenswert zu leben.
Zum Schluss noch: 17.000 Frauen lasten auf Ihren Schultern, aber nicht nur, oder?
Nein, die tragen auch. Ich habe tatsächlich das Gefühl, dass ich von diesen 17.000 Frauen getragen werde, auch wenn es mir mal nicht gut geht. Das ist ein gutes Gefühl.